Astrologie Heute Nr. 200 (August 2019)
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Astrologie Heute Nr. 200
August 2019

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 200 bestellen

 

Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

Ironie oder Im Land des etwas anderen Lächelns
 
von Barbara Egert
 


 

Wenn einem jemand näherkommt als man ertragen kann oder einfach nur die Sicht versperrt, reicht oft schon ein einfaches «Hau ab!». Aber es gibt unauffälligere Möglichkeiten, ihn loszuwerden, nämlich durch die Blume zu ihm zu sprechen. Egal, welche Sorte. (Welche Sorte? – Verzeihung, das war ironisch gemeint.) Wenn man verschleiern möchte, ob das, was man sagt, auch so gemeint ist, wie man es sagt, könnte man den zu Verscheuchenden fragen, ob er so freundlich sein würde, etwas beiseite zu treten, da man genau hinter ihm einen Freund vermute, der einem zugewinkt habe, man sich aber dessen nicht ganz sicher sei. Wenn der, der einem im Weg steht, dann fragt, ob man noch alle Tassen im Schrank habe, dann weiss man, dass er bald kopfschüttelnd verschwindet. Nicht jeder, der das, was man in Anführungszeichen setzt, nicht versteht, ist von Saturn geprägt. Aber fast jeder.

Nicht nur Saturn ist ironie-resistent, auch Neptun nimmt lieber etwas wörtlich, als um die Ecke zu denken. Und lacht lieber nicht, wenn unklar ist, ob etwas zum Lachen ist oder nicht. Warum sagt man dann nicht überhaupt einfach, was man wirklich meint? – Weil man unter merkurialem Einfluss gar nicht anders kann. Selbst noch am Grab verkehrt Trauer sich dann ins Gegenteil, was den Verblichenen nicht weiter stört (Ironie!), die Überlebenden aber sehr. Man könnte ihnen signalisieren, dass man es nicht so meint, aber jeder hat selbst genug damit zu tun, seinen eigenen Weg aus der Trauer zu finden, indem er sowohl Leid bekundet als auch über den abendlichen Einkauf nachdenkt. Wenn der Verblichene Zeit seines Lebens ein unverbesserlicher Ironiker war, dann könnte sein letzter Seufzer ein «Tschüss, bis bald dann» sein, was die Trauernden geflissentlich überhören, bis auf einen, der «Ach, wie interessant» sagt, was nicht etwa geistreich gemeint ist, sondern nur zeigt, dass er es auch in Extremsituationen nicht für nötig hält, richtig zuzuhören. Wenn sich jemand plutonisch überwältigt in der Trauerrede über die Notwendigkeit der Wandlung auslässt, dann kann es sein, dass sich der Deckel des Sarges ein letztes Mal hebt und man ganz deutlich vernimmt: «Das sehe ich aber ganz anders!»

Wer auch im Tragischen noch einen Hauch von Komik spürt und mit nichts, was er sagt, völlig übereinstimmen kann, weil ihm zu jedem Satz stets ein Gegen-Satz einfällt, der greift zur Ironie, denn die schafft Distanz. Wenn jemand etwa einen Teller fallen lässt, was kann denn schon dabei sein, wenn man sagt: «Prima machst du das!» Das Missverstehen einer ironischen Äusserung sollte einen weniger kümmern als die Hoffnung auf ein gemeinsames Lachen. Wenn aber alles nur als Aufforderung missverstanden wird, weitere Teller in Scherben zu verwandeln, dann reisst der geduldigste Faden. Ironie ist eben nicht jedermanns Sache. Und der Witz verfliegt, sobald man ihn erklärt. In solchen Fällen zuckt Merkur mit der «kalten Schulter» (auch ein schiefes Bild kann komisch sein!) und übergibt an Pluto. Aber Vorsicht, bei dem wird alles sarkastisch: «Wenn dir das ganze Service nicht gefällt, auf dem Boden ist noch Platz genug.» Apropos «Tassen im Schrank»: Die Tassen dieses Services waren mal ein Geschenk von Pluto.

Geht alles nicht auch einfacher? Ja, wenn man ein Ironiezeichen analog zum Ausrufezeichen einführte, müsste man nicht mehr seinen Witz zwischen den Zeilen verstecken, bis jemand kommt und ihn entziffert. Und warum das alles? Weil schlichte Gemüter verzweifeln, wenn Merkur die Seinen zu einem Feuerwerk der Gegensätze inspiriert: «Nur wer von Herzen negativ denkt, kann positiv überrascht werden.» Wie bitte, das soll Albert Einstein gesagt haben? Wer sich vorgenommen hat, nur das Schöne, Wahre und Gute in sich hineinzulassen, ist entsetzt. Aber wer das Paradox der Relativitätstheorie formulierte, warum sollte der den Übermut nicht kennen, sich sehr gewagt zu äussern?

Merkur vermittelt zwischen gegensätzlichen Welten, pendelt von Sinn zu Unsinn, von tiefer zu doppelter Bedeutung, ist Seelenführer und Seelenverführer zugleich. Er kann gar nicht anders, als sich paradox auszudrücken: «Ein Mensch, der Hunde und kleine Kinder hasst, kann nicht ganz schlecht sein.» Ist das ernst gemeint? Wenn jemand am 29. Februar geboren ist, also mit 21 Jahren nicht mehr als fünf Geburtstage hatte, ist der nicht geradezu prädestiniert, seine Besonderheit so zu formulieren: «Wer sich an kleinen Dingen freut, kann mir die grossen überlassen.» Und ganz sicher wird er, wenn er Pubertät und Rente zugleich erlebt, wie Adenauer resümieren: «Wer sich die Fähigkeit erhält, Bosheiten auszuteilen, wird nie alt werden.»
 


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung; Bücher: «Astro-logische Merkwürdigkeiten – Kolumnen» (2017, nur bei Amazon erhältlich), «Wenn die Kindheit Schatten wirft: Beziehungen, Hochsensibilität, Narzissmus» (2014), «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert