Astrologie Heute Nr. 197 (Februar 2019)
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Astrologie Heute Nr. 197
Februar 2019

Inhaltsverzeichnis
Heft Nr. 197 bestellen

 

Astro-logische Merk-Würdigkeiten
 

Statistischer Durchschnitt
 
von Barbara Egert
 


 

Wenn ich die Teile des Ganzen richtig berechne, dann ist der Durchschnitt von 7, 11 und 82 genau 50. Allerdings sei doch, flüstert mir Saturn in einem Anflug von horrendem Exaktheitswahn und chronischer Besserwisserei zu – wobei ihm Pluto unerbittlich zur Seite steht –, die Halbierung der Summe völlig ohne Belang. Wichtiger erscheine ihm, dass die letzte Zahl im Vergleich zu den beiden ersten derart hoch sei, dass es sich vermutlich um einen Ausreisser handle. Ein Ausreisser – was ist das denn? Ganz einfach: Wenn ein Messwert auffällig hoch ist und der Erwartung einer normalen Häufigkeitsverteilung im Streuungsbereich nicht entspricht, dann sollte man eine Ausreisserproblematik zumindest für möglich halten. – Ich bin nicht die Erste, die stöhnt, wenn ihr Saturn in Fahrt kommt.

Für Merkur ist Statistik, also die Lehre von Methoden zum Umgang mit quantitativen Informationen, überhaupt kein Problem (aber nur, wenn ihn Neptun in Ruhe lässt), da er sie täglich benutzt, um zu beweisen, was immer jemand bewiesen haben möchte. Für alles gibt es optimale Beweisketten. Die Wahrheit? Ja, sofort! Welche bitte? – Er erklärt mir die Häufigkeitsverteilung astrologisch, übernimmt höchstpersönlich den Part des Ausreissers, verbündet sich dazu mit Uranus, während die Allianz von Saturn und Jupiter den Normalbereich darstellt und Venus auf Ausgewogenheit und stimmige Proportionen Wert legt. Wenn man also annehme, dass 100 die Summe aller Faktoren ist, die man zur Berechnung eines Horoskops braucht, dann sei zu erwarten, dass er selbst, Merkur, eine wesentlich grössere Rolle spiele als die anderen, die man nicht mal Kontrahenten nennen könne, so unwesentlich seien sie. Er, der Ausreisser, dominiere auch dann noch, wenn man alle anderen Komponenten wie Aspekte, Tierkreiszeichen, Häuser und Halbsummen etc. mit einbeziehe. Das zu erwartende Horoskop sei also hauptsächlich von seinen Talenten gefärbt.

Und welche Rolle spielt in der Astrologie der Durchschnittswert? – Überhaupt keine, denn, so doziert der erklärungsfreudige Merkur, es gibt nur eine ständige Interaktion aller Faktoren, wobei der grösste Faktor, in unserem Beispiel also er selbst, den Ton angebe. – Und wenn ein Horoskop nun überhaupt keine Ausreisser, sondern eine aussergewöhnliche Normalverteilung aufweist, ist dann alles sozusagen im grünen Bereich? Dann, so fürchtet er, wird das Horoskop äusserst langweilig sein: Das Leben ein ruhiger Fluss. Höhen und Tiefen nahe bei Null. Warum allerdings auch nicht; nicht jeder mag es dramatisch?

Ich beginne zu verstehen, was Merkur mir erklärt. Doch beschleichen mich auch Zweifel an seiner Art, die Quantität so stark zu favorisieren. Da ich die Götter auch im Alltag für omnipräsent halte, verwundert es mich nicht, eine Stimme zu hören, die, ins Irdische übersetzt, Folgendes sagt: «Da irrt der Kollege Merkur [das ist der himmlische Umgangston] aber gewaltig. Und hätte ich auch nur einen Anteil von sieben Prozent vom astrologischen Gesamtvolumen, mein Blitz, mein Donner könnten den Horoskopeigner zutiefst erschüttern, sodass er in einer Phase merkurialer Rückläufigkeit endlich wieder zu sich selbst zurückfindet. Verhandlungen werden stocken, der Handel stagniert, kein Umsatz mehr und Gespräche verlaufen im Sande, die Missverständnisse werden sich häufen und Verabredungen scheitern.»

Hat er nicht Recht? Die Menge allein macht es eben nicht. Selbst nicht die einer optimalen Mischung, wenn diese nur quantitativ ist. – Aber sind es denn nicht zuerst immer Mengen, die uns beeindrucken? Sieht man sich ein Horoskop an, fallen einem zunächst Dominanzen und Diskrepanzen auf, ein Zuviel an Verlangen nach Sicherheit, das Zuwenig an kreativer Energie, ein Mangel an Erde, um Turbulenzen überstehen zu können. Wir erkunden das Wahrscheinliche. Anfangs bewegen wir uns in der Quantität. Aber ist denn das Ganze nicht sowieso immer mehr als die Summe seiner Teile? Ja, schon, aber wahrscheinlich erst dann, wenn man sich davon frei macht, die Teile quantitativ zu sehen. Ansonsten wäre Deutung keine Kunst, sondern Statistik. Doch davor bewahre uns der Himmel! Selbst modernste Statistik-Software analysiert Quantität, nicht aber Qualität. Aber möchte man sich nicht, so einzigartig wie man ist, jedem noch so feinen Raster entziehen, solange das noch möglich ist?

Uranus, der Individualist im Bunde meiner Prozentrechnung, hat dazu seine ganz eigene Vorstellung. Nicht weil er pessimistisch ist, sondern weil er das Künftige ahnt, das uns gerne so gleich wie möglich hätte, rät er zu ständiger innerer Entmüllung aller Sei-du-selbst-Versprechungen, um wenigstens noch eine Zeitlang etwas von seiner Unverwechselbarkeit zu behalten.
 


Barbara Egert, geprüfte Astrologin DAV, jahrzehntelange Astrologieerfahrung; Bücher: «Astro-logische Merkwürdigkeiten – Kolumnen» (2017, nur bei Amazon erhältlich), «Wenn die Kindheit Schatten wirft: Beziehungen, Hochsensibilität, Narzissmus» (2014), «Hochsensibilität im Horoskop» (2012), «Krisen im Horoskop erkennen» (2011), «Kindheitserfahrungen im Horoskop» (2009); ständige Mitarbeiterin von ASTROLOGIE HEUTE, E-Mail: Barbara Egert